Die ich traf: wieder in Deutschland (2. Etappe, 2020, 3.) //
Whom I met: again in Germany (2. stage, 2020, 3.)
Auf der Fähre Gedser-Rostock trafen wir Sebastian und kamen ins Gespräch, als wir auf die Öffnung der Luke warteten. Er kommt aus Kopenhagen und besucht per Rad seinen Bruder in Halle, den er lange nicht gesehen hat. Da er nur wenig Zeit hat, wird er zurück mit dem Zug fahren. Da er auch ein Cannondale fährt, tauschten Catharina und er sich über ihre Erfahrungen mit den Bikes aus. Einer der sehr netten Kontakte, bei denen man bedauert, nicht etwas mehr Zeit miteinander zu haben. Auf Catharina und mich wartete im Hafen erstmal die Aussicht, ihren Reifen flicken zu müssen, dessen Plattheit beim Fahren – dann Schieben – auf die Fähre auffiel.
Nach der Überfahrt mit der Fähre von Gedser nach Rostock haben wir in einem Hotel direkt am Bahnhof eingecheckt, weil Catharina sehr früh mit dem Zug fahren musste. Davor trafen wir Barbara und Volker, beide auch sehr aktive Menschen, auch oft mit dem Rad unterwegs. Sie wollten viel über unsere Dänemark-Reise und meine Ostsee-Tour wissen.
Die Abreise von Catharina war eine Zäsur in meinem Unterwegs-Sein, deshalb setzte ich ein entsprechendes Zeichen und rasierte mir den Bart halb ab – die Hälfte fehlt halt. Was ich eigentlich nur als Gag für ein Foto machen wollte – auf die Idee hatte Svend mich gebracht – ließ ich dann einfach so und rasierte mich nicht weiter. Da ich in Deutschland wieder Maske trug (in Dänemark machte das niemand), fiel das gar nicht so vielen auf, aber unterwegs sah ich doch manche verschmitzt lachen oder peinlich berührt weggucken. Aber ein vollbärtiger Mann, den ich nach dem Weg fragte, lachte laut auf; als ich ihm erzählte, warum ich das gemacht habe, sagte er zum Abschied: „Bleib so, wie ich immer werden wollte“, was ich als sehr schönes Kompliment empfand.
In Ribnitz-Damgarten besuchten mich Martina und Arno aus Oldenburg, die bei Rostock Urlaub machten und mitbekamen, dass ich in der Gegend war. Weil wir uns lange nicht gesehen hatten, gab es viel zu erzählen über uns, unsere Kinder und ich fragte sie nach ihrem Leben mit Hund.
In Ribnitz-Damgarten bin ich aufgrund der anhaltend regnerischen Wetterlage mehrere Tage in einer kleinen, sehr sympathischen Jugendherberge eingekehrt. Als ich dann für den Aufbruch mein Rad belud, kam Matthias aus dem Haus, um mich nach meinen Plänen zu befragen. Er ist selbst schon mit dem Rad im Baltikum gewesen und konnte mir einige Tipps geben; jetzt im Urlaub machte er Tagestouren. Er spricht Portugiesisch und – wie sein Shirt zeigt – Brasilien-Fan, kann auch spanisch und ist schon weit herumgekommen.
Kaum war Matthias wieder im Haus und ich abfahrbereit, kamen Christa und ihre Enkelin Paula aus dem Haus und fragten nach, was es denn mit meinem Schild auf sich habe. Daraus entspann sich ein längeres Gespräch und wir stellten viel Übereinstimmung unserer Ansichten und Haltungen fest. Christa reist schon seit vielen Jahren an die Ostseeküste und kennt sich hier gut aus, wusste zum Beispiel, dass Lyonel Feininger oft hier war (ich hatte das am Tag vorher in der Stadt entdeckt) und wollte das alles endlich mal ihrer Enkelin Paula zeigen.
Beide machen auch Yoga, und als Paula eine Übung nicht kannte, die Christa erwähnte, machte sie sie ihr kurzerhand vor – so eine tolle Frau!
Paula studiert Kunst, reist gerne, beschränkt sich aber auf Europa und ist gerade mit Interrail unterwegs; sie möchte in dem Gültigkeitsmonat noch nach Budapest und Österreich. Beide fahren auch Fahrrad und Paulas Freund, der Rennrad fährt, findet wie ich das Rad eine der größten Erfindungen. Es fiel mir wirklich schwer, mich von den beiden zu trennen, aber da ich eine weite Strecke vor mir hatte, brach ich dann auf. Aber nicht ohne das Christa kurz ins Haus ging und mit ihrer Kamera wiederkam, weil sie unbedingt noch ein Foto von mir machen wollte.
Doris, Onny, Evi und Geli (von links) bot ich an, sie zu fotografieren, als sie sich verrenkten, um alle auf ein Selfie zu passen. Eine muntere Frauentruppe, die viel und gerne lachte – allerdings gelang es mir offensichtlich nicht, sie gleichzeitig dazu zu bringen.
Gabi und Frank aus Löbau in Sachsen haben sich einen Campingwagen gemietet und machen Rad-Tagestouren; wir waren zusammen ein kleines Stück auf der Fähre von Usedom zum Festland zusammen und danach sprach Gabi mich an.
Nach einer längeren Holper-Fahrt auf einem begrasten Deich (ich hatte mich von dem Schild „DeichWEG“ verleiten lassen) kam ich schließlich auf einen Aussichtsturm zu. Jody sprach mich von sich aus auf Englisch an – was ich erstaunlich und sehr toll fand –, dass auf der Insel ein Stück weiter Seeadler gäbe und zeigte mir ein sehr gelungenes Foto, das sie dort gemacht hatte. Sie und ihr Partner, der ein Stück vorausgelaufen war, kommen aus den Niederlanden und sind gerne in der Natur, sie arbeitet auch als Ranger. Ihre Initiative ermutigte mich, den Weg dann weiter zu fahren, der allerdings auch besser wurde. Unterwegs traf ich noch einige, die mit großen Fotoobjektiven die sehr reiche und besondere Vogelwelt beobachteten.
Leider ging es nur ein kleines Stück auf die Insel Koos, dann kam eine Absperrung (direkt dahinter stand allerdings jemand und telefonierte … ob das mit dem Loch im Zaun zu erklären ist?). Ich habe mich aber lange an der Brücke aufgehalten (in etwas abenteuerlichem Zustand, einige Lücken waren so breit wie mein Fuß) und flinke Schwalben bei abenteuerlich erscheinenden Flugmanövern beobachtet und zu fotografieren versucht. Dann kam dieser Radler, der sich als Kenner der Gegend und der Natur erwies: Konrad Ott wohnt in Greifswald und hat an der Uni Kiel einen Lehrstuhl für Philosophie und Ethik der Umwelt (mehr zu seinen Forschungen und Tätigkeiten bei Wikipedia).
Konrad Ott liebt nach eigener Aussage die Karrendorfer Wiesen und machte mich auf zwei Personen aufmerksam, die sich um den Naturschutz sehr verdient gemacht haben: Michael Succow, der u. a. kurz nach der Wende darauf drängte, dass Naturschutzgebiete ausgewiesen werden und Prof. Dr. Müller Motzfeld, der – wie die Inschrift auf dem Gedenkstein am Wegrand zeigt – die Eindeichung der Wiesen mit initiiert hat.
Eva ist zu Fuß unterwegs. Wir grüßten uns, als ich an ihr vorbei fuhr und sie holte mich vor dem Geburtshaus von Ernst Moritz Arndt ein, als ich mich dort etwas umsah. Wir haben dann zusammen auf einer Bank gepicknickt. Sie ist Designerin und arbeitet in einer IT-Firma, wo sie sich um die nutzerorientierte Oberfläche von Software kümmert. Eva hat schon viele Radtouren in Europa gemacht, dann aber zusätzlich das Wandern für sich entdeckt und läuft nun auf dem Rügen-Abschnitt des Europa-Wanderweges 10 bis rauf zum Kap Arkona.
Als wir auf das Thema kamen, wie und wem wir über unsere Tour berichten, zeigte sie mir ihr Tagebuch, in dem sie jeden Tag eine Doppelseite gestaltet und per WhatsApp verschickt.
Zum Schluss empfahl sie mir noch einen Laden in Putbus, der gewalkte Jacken aus Wolle von Schafen aus Vorpommern herstellt – sie hatte sich die Adresse sorgfältig auf ihrer Karte notiert. „Nordwolle“ heißt die Firma (genauso wie das Museum in Delmenhorst), und ich bin später hingefahren und habe eine Jacke anprobiert, die ich tatsächlich gar nicht wieder ausziehen mochte. Da sie nur auf Bestellung arbeiten, habe ich noch Zeit, mir zu überlegen, ob ich mir eine kaufe – sie sollen sogar mehrere Stunden Regen abhalten! (Ich bin gerade etwas abgenervt von teuren Regenjacken, die nach der ersten Wäsche und (professionellen!) Imprägnierung viel weniger abhalten als am Anfang).
Nach einem sehr steilen Anstieg, den ich geradeso geschafft habe, verschnaufte ich etwas und Heike kam hoch – recht entspannt, weshalb ich die Vermutung äußerte, dass sie e-Unterstützung hätte – was sie weit von sich wies. Sie und ihr Partner Roy – der schiebend hinterher kam – seien aus Seifen und Anstiege gewohnt. Die beiden nehmen sich immer wieder eine Ecke Europas radfahrend vor, jetzt haben sie eine Unterkunft in Baabe und machen von dort aus Tagestouren.
Den letzten Abschnitt meiner Route ließ ich von Komoot planen, weil die Zeit langsam knapp wurde bis zum Campingplatz. Plötzlich kam ich an einen Fähranleger, sah aber kein Schiff und hatte schon Befürchtungen, ich müsse (sehr!) weit außen rum fahren – als ich gegenüber ein Ruderboot bemerkte, das gerade abstieß und darin: Zwei Personen mit Fahrrädern. Und tatsächlich: Kai Uwe betreibt diese kleine Fähre von Hand! Ich wollte mein Gepäck abschnallen, um das Ein- und Ausladen zu erleichtern, aber er meinte, ich solle alles dran lassen und ins Boot steigen. Und tatsächlich hob er die über 50 kg ins Boot und auch auf der anderen Seite hoch auf das Ufer. Er sagte mir dann noch, wo der Radweg weitergeht, ansonsten sprach er nicht zu viel (kein Wunder, er muss mit seiner Energie sorgsam umgehen).
Nach 2 km wunderbar ausgebautem Radweg und einem erneut geradeso bewältigten Anstieg von 13 Prozent kam ich auf den Naturcampingplatz Alt-Reddevitz zugerollt und wurde von einem strahlend lachenden jungen Mann auf der Terrasse begrüßt. Ich spiegelte Timo dann zurück, wie schön es ist, so empfangen zu werden und klönte mit ihm. Er betreibt den Platz mit seinem Vater zusammen von ca. 8 bis 8, manchmal auch später; außerdem haben sie noch Ferienwohnungen und Pferde. Ich finde es schon beeindruckend, wie viel manche Menschen arbeiten und sich doch ihre gute Laune und Freude an der Arbeit bewahren – das haben wir ja schon ein paar Mal unterwegs erlebt.
Als ich an einem überdachten Bankentisch neben meinem Zeltplatz mein Abendbrot einnahm, kam Martin dazu, um zu kochen, später lernte ich dann auch Regina kennen. Die beiden kommen aus Süddeutschland und wollten wegen Corona nicht wie sonst in den Süden, sondern haben beschlossen, zum ersten Mal in den Norden zu fahren und zeigten sich begeistert. Sie blieben einige Tage und fragten mich nach schönen Orten an Ost- oder Nordsee und reisten dann weiter nach Lübeck.
Am nächsten Morgen, nachdem es stark geregnet hatte – was den ganzen Tag über anhielt – wurde der überdachte Platz mit schönem, weitem Ausblick zum dauerhaften Aufenthaltsort für Jutta aus Krefeld und mich. Ihr Zelt wurde in der Nacht geflutet und wir setzten es gemeinsam um, vor allem aber kamen wir in tiefe, wesentliche Gespräche miteinander. Wir berichteten uns gegenseitig über die Ausprägungen unserer Affinität zum Element Wasser, die sie u. a. privat als Kajak-und SUP-Paddlerin und beruflich in therapeutischer und künstlerischer Arbeit pflegt (siehe: waterdance-art.com); ich erzählte ihr von meiner Sammlung von 800 Wellen-Fotos aus den 70er Jahren. Jutta hat sogar eine Weltreise auf dem Wasserweg unternommen; das ganz Besondere dabei ist, dass sie sich das Ziel Jamaica gesetzt hat, um dort bei einem Freund arbeiten zu können, und dann quasi trampend unterwegs war: Sie fragte in den Häfen nach Mitfahrgelegenheiten, die sie ihrem Ziel näher brachten und hat es tatsächlich geschafft! Die Stationen: La Palma, Martinique und von dort mit mehreren Schiffen nach Jamaica. In den Häfen hat sie jeweils zum Teil wochenlang gearbeitet, bis es dann wieder weiter ging – durch den Panama-Kanal nach Costa Rica, Mexiko, San Diego, nochmal Mexiko und schließlich über den Landweg nach Alaska, wo sie 3 Monate beim Fischfang gearbeitet hat, bis das Unglück der Exxon Valdez dort spürbar wurde. Zurück nach Hause ging es dann 1989 im Flieger, mit ihrer Tochter im Bauch. Am Abend gingen wir gemeinsam in ein Restaurant, um unseren Austausch weiterzuführen.
Sie hat ihr Seekajak auch mit nach Rügen gebracht, wie auf diesem Foto zu sehen ist; der Anlass für den Aufenthalt hier war, sich mit einer Freundin zu treffen. Wir sprachen auch über sehr persönliche Themen und die Schwierig- und Möglichkeiten, als Rentner*in sich etwas dazuzuverdienen. Jutta würde sich gerne noch mehr ihren künstlerischen Aktivitäten widmen, u. a. Wasser zu fotografieren und zu filmen. Als wir uns schon verabschiedet hatten, trafen wir uns zufällig noch einmal auf dem Turm des Baumwipfelpfades, anschließend machte sie noch Fotos mit mir und meinem Rad und sah sich meine Rad-Ausrüstung an.
Nach und nach kam auch eine Gruppe von Freund*innen aus Mainz auf den Platz, die teils mit dem Rad, teils mit Bully nach Rügen reisten. Mit Leon kam ich am intensivsten ins Gespräch; er studiert auf Lehramt Französisch und Geographie, hat dann aber beschlossen, noch Philosophie dazuzunehmen, weil ihn die Geschicke der Welt interessieren. Wir diskutierten intensiv über mögliche oder unmögliche Wege nicht nur aus der Krise, sondern auch zur Überwindung des Kapitalismus mit seiner zwangsläufigen Ausprägung nach den Profitinteressen. Leider konnten wir keine fertige Lösung entwickeln, denn Leon musste schließlich für die Gruppe Reis kochen 😉
Als ich auf dem Campingplatz in Prora – mit gutem WLAN und einem Aufenthaltsbereich mit Steckdose – wo gab es schon diese Kombination? – abends saß, um diesen Beitrag zu erstellen, kam Andreas dazu mit seinem kleinen Hund. Ich fragte ihn nach der Rasse – von der hatte ich noch nie gehört: Havaneser, weil sie eine zeitlang auf Kuba sehr beliebt waren, bis Castro das irgendwie unterbunden hat. Er berichtete, wie er und seine Partnerin sich in der Frage, was für ein Hund es sein soll, nach und nach herangetastet haben; die Familienfreundlichkeit spielte eine große Rolle und dass der Garten nicht sehr groß ist. Und es sollte unbedingt eine Hündin sein; als dann aber bei der Züchterin die ausgewählte Hündin sich nur mit einer anderen zickte und aus einer Ecke Udo hervorgetappt kam, die Züchterin ihn auf Andreas’ Schoß legte und er sofort entspannt einschlief, war auch dieses Vorhaben Geschichte – der Hund hatte sich ausgesucht, zu wem er wollte und die Entscheidung wurde respektiert und nie bereut. Auch wenn – wie Andreas freimütig eingestand – die ersten ein bis anderthalb Jahre bis zur Akzeptanz der Sauberkeits- und anderer erwünschter Regeln nicht immer leicht waren. Eine Besonderheit dieser Rasse ist übrigens, dass er kein Unterfell hat, sondern Haare, wie Menschen. Die halten sie – anders als üblich – durch regelmäßige Friseurbesuche recht kurz.
Bei einer Kaffee- und Kuchen-Pause auf dem Weg zum Kap Arkona – ein sehr nettes kleines Draußen-Café mit Blick aufs Wasser von allen Tischen – sprachen mich Susanne und Andreas aus Erfurt an, die gerade aufbrechen wollten, als ich kam. Sie waren auf Usedom, in Zingst auf dem Darß und hier auf Rügen und wundern sich, wie unterschiedlich die Landschaften hier sind, die sie sich mit dem Fahrrad erschließen.
Ich erfuhr, dass Beate und Bernd aus Oldenburg ebenfalls Rügen mit dem Rad umkreisten – nur in der anderen Richtung. Wir verabredeten, uns auf dem Campingplatz von Schaprode zu treffen. Als ich nur ein paar Kilometer entfernt war, bog der Weg, der immer am Wasser entlang ging, Richtung Landesinnere ab; nur ein begraster Fahrweg führte weiter. An seinem Anfang sonnte sich ein Paar auf einer Decke und ich fragte sie, ob der Weg befahrbar sei – als ich bemerkte, dass es die beiden waren! …
… Wir genossen dann zu dritt den sonnigen Tag und hatten uns viel zu erzählen, weil wir uns lange nicht gesehen hatten. Dann teilten wir unsere bisherigen Rügen-Eindrücke aus und planten, wie wir die gemeinsame Zeit verbringen wollten.
Wir aßen in dem fantastischen Restaurant Schilling (www.https://www.schillings-gasthof.de/) im Hafen von Schaprode zu Abend – wohl das beste Essen auf meiner Tour und eines der anregendsten Gespräche; neben persönlichen Themen – Leben als Rentner (Bernd und ich, beide Ex-Lehrer), Umgang mit Corona u.v.m. – sehr viel über die Qualitäten des Urlaubs mit dem Rad oder auch des Radreisens. Das haben wir dann am nächsten Tag gemeinsam umgesetzt auf einer Tour über die Insel Hiddensee. …
… Unsere erste Station auf der Insel war der kleine Leuchtturm, den Bernd schon beim Segeln mal von der Wasserseite aus gesehen hatte. Es windete wunderbar heftig und der Weg dahin ging durch schweren Modder – hier zeigte sich die Stärke der dickeren Reifen der beiden und die einzige Schwäche meines Rades: Da ein Randonneur wie meines eigentlich schmale Reifen hat, ich aber dickere haben wollte, um auch offroad unterwegs sein zu können, ist der Abstand zum Schutzblech extrem schmal und setzt sich bei Schlamm sofort dicht. Trotzdem bin ich noch soweit südlich wie möglich die schmalen Pfade gefahren, während die beiden im Cafè „Rosi“ auf mich warteten. Wir fuhren dann noch zusammen bis Kloster, da übernachteten die beiden, während ich alleine nach einer Umrundung des Nordteils der Insel von Vitte zurück nach Schaprode schipperte.
Hier setzt auch jemand auf Langsamkeit: Rudi und Waltraud kommen aus Bad Doberan bei Rostock und wollen die Insel Rügen umrunden in ihrem liebevoll hergerichteten Hänger samt Trecker „Fiete“.
Der Bonsai-Pitbull ist übrigens ein Dackel!
Hier sind alle drei – sie haben es sich unter ihrem kleinen Zelt-Vorbau gemütlich gemacht. Sie brauchten 13 Stunden mit ihrem Trecker-Gespann von Bad Doberan bei Rostock bis nach Rügen – eine Zeit, in der andere, wie Rudi sagt, mit dem Auto bis nach Italien fahren.
Ich empfahl ihm das Buch „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny; er wusste zu berichten, dass der Tennis-Profi Michael Stich etwas mit Langsamkeit zu tun habe. Ich habe versucht, das zu recherchieren und habe interessanterweise dieses Interview gefunden, in dem er Nadolny als Lieblingsschriftsteller bezeichnet und sich auch auf ihn bezieht: „Nadolny sagt, es gibt für alles im Leben drei Momente: einen verfrühten, einen richtigen und einen zu späten. Das hat für mich unbedingt Sinn. Allerdings weiß man so etwas meist erst, wenn man ein bisschen Lebenserfahrung gesammelt hat“ (www.welt.de).
Vor einem Supermarkt packte ich gerade die Einkäufe ein, als Norbert aus Wiernsheim bei Pforzheim mich ansprach. Was das Urlaubsziel betraf, ging es ihm ähnlich wie mir: Sie wollten eigentlich nach Schweden, wo sie seit Jahren auf Torsö – einer Insel im Vänernsee – Urlaub machen. Dieses Jahr fuhren er, seine Frau Sonja und ein Freund mit einem gemieteten Camping-Anhänger nach Rügen und dann ev. noch Bornholm – sie scheinen Inseln zu bevorzugen.
Mike aus Berlin traf ich vor dem Damm, der nach Ummanz führt, eine kleine, Rügen westlich vorgelagerte Insel. Ich schaute gerade den Pylon an, als er stoppte und mich danach scherzhaft fragte (leider weiß ich nicht mehr, wie – bezog er sich auf Asterix und Obelix?). Ich konnte ihn dank gelesener Inschrift aufklären, dass die Straßenbrücke aus 68 dieser Pfähle steht. Viel spannender war es, von ihm zu hören, dass er überwiegend „wild“ übernachtet – im Zelt, aber auch schon mal in einem Bushaltestellen-Häuschen. Und dass er alle Radwege kennt, die von Berlin abgehen und auch schon an Nord- und Ostsee gefahren ist.
Ines habe ich schon mehrfach bei meiner Inselumrundung gesehen, meistens auf Campingplätzen – kein Wunder, wie sich herausstellte, weil sie und Janos Rügen in ähnlichem Tempo umrunden. Dieses Mal haben wir uns, als ich in Altefähr ankam, nicht nur im Vorbeifahren gegrüßt, sondern auch ein wenig zusammengesessen. Sie kommen aus Ilmenau. Wir waren uns nicht sicher, ob wir und vier- oder gar fünfmal begegnet sind – lustig war es jedenfalls. Sie fahren noch zur Fähre Glewitz – Stahlbrode, mit der ich auch auf die Insel gekommen bin, weil ihr Auto dort steht. Ich dagegen werde nach dieser Nacht direkt Stralsund ansteuern.
Das sind (von links) Hanneke, Roel, Marcel und Lisbeth; zwei Schwestern aus Holland mit ihren Männern auf dem Campingplatz von Zingst. Sie hatten – wie ich – mit Mücken zu kämpfen, deshalb die Kapuzen. Marcel hatte vorher schon interessiert mein Koga-Miyata inspiziert, was ja eine niederländische Fahrradmarke ist (der japanische Teil des Namens kommt von dem Rahmenbauer Miyata Kōgyō; seit 2010, als die Zusammenarbeit beendet wurde, heißen die Räder nur noch KOGA). Sie sind begeistert von der Gegend und wollten noch weiter nach Rügen. Ein längeres Gespräch war nicht möglich – ihr wisst schon, die Mücken! –, aber es war eine sehr herzliche Begegnung.
Nicola und Tyler sind aus Berlin, er ist allerdings ursprünglich Amerikaner – die Geschichte, warum er hierher kam, war ihm zu lang zu erzählen. Nicola hat ihn unterwegs gerettet, als er eine Schraube verloren hat, die den Gepäckträger hielt – denn sie hatte noch kurz vor der Abfahrt die wirklich unverzichtbaren Kabelbinder besorgt, die jetzt halfen!
Mir halfen die beiden, ein Bild über Russland zu gewinnen, denn sie waren schon oft da (wenn ich es richtig mitbekommen habe, lebt ihr Vater in Moskau) und meinten, Petersburg müsse man gesehen haben. Und man solle, wenn es geht, ein paar Brocken der Sprache lernen (sie hat sie studiert!), um besser durch- und in den Genuss der russischen Freundlichkeit und Gastfreundschaft zu kommen. Aber auf keinen Fall, so wie es viele Ostsee-Umradler tun, die die Fähre zwischen Helsinki und Tallinn nehmen – dieses Land auf der Reise auslassen!
Auf der Suche nach funktionierendem Internet habe ich mich auf mehreren Campingplätzen in der Nähe des Routers, sprich, der Anmeldung herumgetrieben. Das war auf dem Campingplatz Dierhagen nicht anders – und ich war damit nicht allein. So kam es zu einem sympathisch frech-forschen Plausch mit diesem Pärchen – seit 19 Jahren zusammen, davon 16 verheiratet: Beate und Marion aus Kiel. Mehr weiß ich leider nicht mehr – außer, dass wir uns alle sehr amüsiert und viel gelacht haben. Sehr süß, wie die beiden miteinander umgehen, oder?
Ich war am Dierhagener Strand dabei, die großformatigen Nachbildungen von Meeresbewohnern wie dieser Miesmuschel zu fotografieren, vor der hier Elisabeth und Andreas posieren. Das kam so, dass Andreas sein Fahrrad dagegengelehnt hatte und ich ihn bat, das wegzunehmen – woraufhin er mich fragte, ob er mich davor fotografieren solle – sie kaufte derweil was am Kiosk ein. Das fand ich sehr nett, mit dieser kleinen implizierten Kritik – jedenfalls hätte man es so verstehen können – so positiv umzugehen!
So kam es zu diesem Foto.
Später, als ich an einem schönen Platz mit Meerblick frühstückte – ich fahre meistens erst ein Stück und kann dann das erste Mahl mit der Aussicht zusammen viel mehr genießen –, winkte mir eine Frau zu; das war wieder Elisabeth, wie ich dann erkannte, die lange am Strand gebückt lief und nach Schätzen Ausschau hielt.
Meine letzte Begegnung dieser Etappe hatte ich am Strand von Markgrafenheide – dem Rostock am nächsten gelegenenen Campingplatz (und, nebenbei bemerkt, der weitaus teuerste meiner ganzen Tour!). Während ich der sinkenden Sonne zusah, machte er Fotos und strahlte vor Begeisterung. …
… Robbys neues iPhone fing die Farben viel besser ein als meins, deshalb machte er noch Selfies von uns. Danach verabredeten wir uns zum Pizza-Essen auf dem Campingplatz und unterhielten uns den ganzen Abend sehr angeregt. Auch wenn wir in Bezug auf Corona nicht einer Meinung waren, war es ein sehr angenehmer Kontakt; wir schickten und später per Mail unsere Fotos und sind auf Instagram verbunden.
Auf der Fähre Gedser-Rostock trafen wir Sebastian und kamen ins Gespräch, als wir auf die Öffnung der Luke warteten. Er kommt aus Kopenhagen und besucht per Rad seinen Bruder in Halle, den er lange nicht gesehen hat. Da er nur wenig Zeit hat, wird er zurück mit dem Zug fahren. Da er auch ein Cannondale fährt, tauschten Catharina und er sich über ihre Erfahrungen mit den Bikes aus. Einer der sehr netten Kontakte, bei denen man bedauert, nicht etwas mehr Zeit miteinander zu haben. Auf Catharina und mich wartete im Hafen erstmal die Aussicht, ihren Reifen flicken zu müssen, dessen Plattheit beim Fahren – dann Schieben – auf die Fähre auffiel.
Nach der Überfahrt mit der Fähre von Gedser nach Rostock haben wir in einem Hotel direkt am Bahnhof eingecheckt, weil Catharina sehr früh mit dem Zug fahren musste. Davor trafen wir Barbara und Volker, beide auch sehr aktive Menschen, auch oft mit dem Rad unterwegs. Sie wollten viel über unsere Dänemark-Reise und meine Ostsee-Tour wissen.
Die Abreise von Catharina war eine Zäsur in meinem Unterwegs-Sein, deshalb setzte ich ein entsprechendes Zeichen und rasierte mir den Bart halb ab – die Hälfte fehlt halt. Was ich eigentlich nur als Gag für ein Foto machen wollte – auf die Idee hatte Svend mich gebracht – ließ ich dann einfach so und rasierte mich nicht weiter. Da ich in Deutschland wieder Maske trug (in Dänemark machte das niemand), fiel das gar nicht so vielen auf, aber unterwegs sah ich doch manche verschmitzt lachen oder peinlich berührt weggucken. Aber ein vollbärtiger Mann, den ich nach dem Weg fragte, lachte laut auf; als ich ihm erzählte, warum ich das gemacht habe, sagte er zum Abschied: „Bleib so, wie ich immer werden wollte“, was ich als sehr schönes Kompliment empfand.
In Ribnitz-Damgarten besuchten mich Martina und Arno aus Oldenburg, die bei Rostock Urlaub machten und mitbekamen, dass ich in der Gegend war. Weil wir uns lange nicht gesehen hatten, gab es viel zu erzählen über uns, unsere Kinder und ich fragte sie nach ihrem Leben mit Hund.
In Ribnitz-Damgarten bin ich aufgrund der anhaltend regnerischen Wetterlage mehrere Tage in einer kleinen, sehr sympathischen Jugendherberge eingekehrt. Als ich dann für den Aufbruch mein Rad belud, kam Matthias aus dem Haus, um mich nach meinen Plänen zu befragen. Er ist selbst schon mit dem Rad im Baltikum gewesen und konnte mir einige Tipps geben; jetzt im Urlaub machte er Tagestouren. Er spricht Portugiesisch und – wie sein Shirt zeigt – Brasilien-Fan, kann auch spanisch und ist schon weit herumgekommen.
Kaum war Matthias wieder im Haus und ich abfahrbereit, kamen Christa und ihre Enkelin Paula aus dem Haus und fragten nach, was es denn mit meinem Schild auf sich habe. Daraus entspann sich ein längeres Gespräch und wir stellten viel Übereinstimmung unserer Ansichten und Haltungen fest. Christa reist schon seit vielen Jahren an die Ostseeküste und kennt sich hier gut aus, wusste zum Beispiel, dass Lyonel Feininger oft hier war (ich hatte das am Tag vorher in der Stadt entdeckt) und wollte das alles endlich mal ihrer Enkelin Paula zeigen.
Beide machen auch Yoga, und als Paula eine Übung nicht kannte, die Christa erwähnte, machte sie sie ihr kurzerhand vor – so eine tolle Frau!
Paula studiert Kunst, reist gerne, beschränkt sich aber auf Europa und ist gerade mit Interrail unterwegs; sie möchte in dem Gültigkeitsmonat noch nach Budapest und Österreich. Beide fahren auch Fahrrad und Paulas Freund, der Rennrad fährt, findet wie ich das Rad eine der größten Erfindungen. Es fiel mir wirklich schwer, mich von den beiden zu trennen, aber da ich eine weite Strecke vor mir hatte, brach ich dann auf. Aber nicht ohne das Christa kurz ins Haus ging und mit ihrer Kamera wiederkam, weil sie unbedingt noch ein Foto von mir machen wollte.
Doris, Onny, Evi und Geli (von links) bot ich an, sie zu fotografieren, als sie sich verrenkten, um alle auf ein Selfie zu passen. Eine muntere Frauentruppe, die viel und gerne lachte – allerdings gelang es mir offensichtlich nicht, sie gleichzeitig dazu zu bringen.
Gabi und Frank aus Löbau in Sachsen haben sich einen Campingwagen gemietet und machen Rad-Tagestouren; wir waren zusammen ein kleines Stück auf der Fähre von Usedom zum Festland zusammen und danach sprach Gabi mich an.
Nach einer längeren Holper-Fahrt auf einem begrasten Deich (ich hatte mich von dem Schild „DeichWEG“ verleiten lassen) kam ich schließlich auf einen Aussichtsturm zu. Jody sprach mich von sich aus auf Englisch an – was ich erstaunlich und sehr toll fand –, dass auf der Insel ein Stück weiter Seeadler gäbe und zeigte mir ein sehr gelungenes Foto, das sie dort gemacht hatte. Sie und ihr Partner, der ein Stück vorausgelaufen war, kommen aus den Niederlanden und sind gerne in der Natur, sie arbeitet auch als Ranger. Ihre Initiative ermutigte mich, den Weg dann weiter zu fahren, der allerdings auch besser wurde. Unterwegs traf ich noch einige, die mit großen Fotoobjektiven die sehr reiche und besondere Vogelwelt beobachteten.
Leider ging es nur ein kleines Stück auf die Insel Koos, dann kam eine Absperrung (direkt dahinter stand allerdings jemand und telefonierte … ob das mit dem Loch im Zaun zu erklären ist?). Ich habe mich aber lange an der Brücke aufgehalten (in etwas abenteuerlichem Zustand, einige Lücken waren so breit wie mein Fuß) und flinke Schwalben bei abenteuerlich erscheinenden Flugmanövern beobachtet und zu fotografieren versucht. Dann kam dieser Radler, der sich als Kenner der Gegend und der Natur erwies: Konrad Ott wohnt in Greifswald und hat an der Uni Kiel einen Lehrstuhl für Philosophie und Ethik der Umwelt (mehr zu seinen Forschungen und Tätigkeiten bei Wikipedia).
Konrad Ott liebt nach eigener Aussage die Karrendorfer Wiesen und machte mich auf zwei Personen aufmerksam, die sich um den Naturschutz sehr verdient gemacht haben: Michael Succow, der u. a. kurz nach der Wende darauf drängte, dass Naturschutzgebiete ausgewiesen werden und Prof. Dr. Müller Motzfeld, der – wie die Inschrift auf dem Gedenkstein am Wegrand zeigt – die Eindeichung der Wiesen mit initiiert hat.
Eva ist zu Fuß unterwegs. Wir grüßten uns, als ich an ihr vorbei fuhr und sie holte mich vor dem Geburtshaus von Ernst Moritz Arndt ein, als ich mich dort etwas umsah. Wir haben dann zusammen auf einer Bank gepicknickt. Sie ist Designerin und arbeitet in einer IT-Firma, wo sie sich um die nutzerorientierte Oberfläche von Software kümmert. Eva hat schon viele Radtouren in Europa gemacht, dann aber zusätzlich das Wandern für sich entdeckt und läuft nun auf dem Rügen-Abschnitt des Europa-Wanderweges 10 bis rauf zum Kap Arkona.
Als wir auf das Thema kamen, wie und wem wir über unsere Tour berichten, zeigte sie mir ihr Tagebuch, in dem sie jeden Tag eine Doppelseite gestaltet und per WhatsApp verschickt.
Zum Schluss empfahl sie mir noch einen Laden in Putbus, der gewalkte Jacken aus Wolle von Schafen aus Vorpommern herstellt – sie hatte sich die Adresse sorgfältig auf ihrer Karte notiert. „Nordwolle“ heißt die Firma (genauso wie das Museum in Delmenhorst), und ich bin später hingefahren und habe eine Jacke anprobiert, die ich tatsächlich gar nicht wieder ausziehen mochte. Da sie nur auf Bestellung arbeiten, habe ich noch Zeit, mir zu überlegen, ob ich mir eine kaufe – sie sollen sogar mehrere Stunden Regen abhalten! (Ich bin gerade etwas abgenervt von teuren Regenjacken, die nach der ersten Wäsche und (professionellen!) Imprägnierung viel weniger abhalten als am Anfang).
Nach einem sehr steilen Anstieg, den ich geradeso geschafft habe, verschnaufte ich etwas und Heike kam hoch – recht entspannt, weshalb ich die Vermutung äußerte, dass sie e-Unterstützung hätte – was sie weit von sich wies. Sie und ihr Partner Roy – der schiebend hinterher kam – seien aus Seifen und Anstiege gewohnt. Die beiden nehmen sich immer wieder eine Ecke Europas radfahrend vor, jetzt haben sie eine Unterkunft in Baabe und machen von dort aus Tagestouren.
Den letzten Abschnitt meiner Route ließ ich von Komoot planen, weil die Zeit langsam knapp wurde bis zum Campingplatz. Plötzlich kam ich an einen Fähranleger, sah aber kein Schiff und hatte schon Befürchtungen, ich müsse (sehr!) weit außen rum fahren – als ich gegenüber ein Ruderboot bemerkte, das gerade abstieß und darin: Zwei Personen mit Fahrrädern. Und tatsächlich: Kai Uwe betreibt diese kleine Fähre von Hand! Ich wollte mein Gepäck abschnallen, um das Ein- und Ausladen zu erleichtern, aber er meinte, ich solle alles dran lassen und ins Boot steigen. Und tatsächlich hob er die über 50 kg ins Boot und auch auf der anderen Seite hoch auf das Ufer. Er sagte mir dann noch, wo der Radweg weitergeht, ansonsten sprach er nicht zu viel (kein Wunder, er muss mit seiner Energie sorgsam umgehen).
Nach 2 km wunderbar ausgebautem Radweg und einem erneut geradeso bewältigten Anstieg von 13 Prozent kam ich auf den Naturcampingplatz Alt-Reddevitz zugerollt und wurde von einem strahlend lachenden jungen Mann auf der Terrasse begrüßt. Ich spiegelte Timo dann zurück, wie schön es ist, so empfangen zu werden und klönte mit ihm. Er betreibt den Platz mit seinem Vater zusammen von ca. 8 bis 8, manchmal auch später; außerdem haben sie noch Ferienwohnungen und Pferde. Ich finde es schon beeindruckend, wie viel manche Menschen arbeiten und sich doch ihre gute Laune und Freude an der Arbeit bewahren – das haben wir ja schon ein paar Mal unterwegs erlebt.
Als ich an einem überdachten Bankentisch neben meinem Zeltplatz mein Abendbrot einnahm, kam Martin dazu, um zu kochen, später lernte ich dann auch Regina kennen. Die beiden kommen aus Süddeutschland und wollten wegen Corona nicht wie sonst in den Süden, sondern haben beschlossen, zum ersten Mal in den Norden zu fahren und zeigten sich begeistert. Sie blieben einige Tage und fragten mich nach schönen Orten an Ost- oder Nordsee und reisten dann weiter nach Lübeck.
Am nächsten Morgen, nachdem es stark geregnet hatte – was den ganzen Tag über anhielt – wurde der überdachte Platz mit schönem, weitem Ausblick zum dauerhaften Aufenthaltsort für Jutta aus Krefeld und mich. Ihr Zelt wurde in der Nacht geflutet und wir setzten es gemeinsam um, vor allem aber kamen wir in tiefe, wesentliche Gespräche miteinander. Wir berichteten uns gegenseitig über die Ausprägungen unserer Affinität zum Element Wasser, die sie u. a. privat als Kajak-und SUP-Paddlerin und beruflich in therapeutischer und künstlerischer Arbeit pflegt (siehe: waterdance-art.com); ich erzählte ihr von meiner Sammlung von 800 Wellen-Fotos aus den 70er Jahren. Jutta hat sogar eine Weltreise auf dem Wasserweg unternommen; das ganz Besondere dabei ist, dass sie sich das Ziel Jamaica gesetzt hat, um dort bei einem Freund arbeiten zu können, und dann quasi trampend unterwegs war: Sie fragte in den Häfen nach Mitfahrgelegenheiten, die sie ihrem Ziel näher brachten und hat es tatsächlich geschafft! Die Stationen: La Palma, Martinique und von dort mit mehreren Schiffen nach Jamaica. In den Häfen hat sie jeweils zum Teil wochenlang gearbeitet, bis es dann wieder weiter ging – durch den Panama-Kanal nach Costa Rica, Mexiko, San Diego, nochmal Mexiko und schließlich über den Landweg nach Alaska, wo sie 3 Monate beim Fischfang gearbeitet hat, bis das Unglück der Exxon Valdez dort spürbar wurde. Zurück nach Hause ging es dann 1989 im Flieger, mit ihrer Tochter im Bauch. Am Abend gingen wir gemeinsam in ein Restaurant, um unseren Austausch weiterzuführen.
Sie hat ihr Seekajak auch mit nach Rügen gebracht, wie auf diesem Foto zu sehen ist; der Anlass für den Aufenthalt hier war, sich mit einer Freundin zu treffen. Wir sprachen auch über sehr persönliche Themen und die Schwierig- und Möglichkeiten, als Rentner*in sich etwas dazuzuverdienen. Jutta würde sich gerne noch mehr ihren künstlerischen Aktivitäten widmen, u. a. Wasser zu fotografieren und zu filmen. Als wir uns schon verabschiedet hatten, trafen wir uns zufällig noch einmal auf dem Turm des Baumwipfelpfades, anschließend machte sie noch Fotos mit mir und meinem Rad und sah sich meine Rad-Ausrüstung an.
Nach und nach kam auch eine Gruppe von Freund*innen aus Mainz auf den Platz, die teils mit dem Rad, teils mit Bully nach Rügen reisten. Mit Leon kam ich am intensivsten ins Gespräch; er studiert auf Lehramt Französisch und Geographie, hat dann aber beschlossen, noch Philosophie dazuzunehmen, weil ihn die Geschicke der Welt interessieren. Wir diskutierten intensiv über mögliche oder unmögliche Wege nicht nur aus der Krise, sondern auch zur Überwindung des Kapitalismus mit seiner zwangsläufigen Ausprägung nach den Profitinteressen. Leider konnten wir keine fertige Lösung entwickeln, denn Leon musste schließlich für die Gruppe Reis kochen 😉
Als ich auf dem Campingplatz in Prora – mit gutem WLAN und einem Aufenthaltsbereich mit Steckdose – wo gab es schon diese Kombination? – abends saß, um diesen Beitrag zu erstellen, kam Andreas dazu mit seinem kleinen Hund. Ich fragte ihn nach der Rasse – von der hatte ich noch nie gehört: Havaneser, weil sie eine zeitlang auf Kuba sehr beliebt waren, bis Castro das irgendwie unterbunden hat. Er berichtete, wie er und seine Partnerin sich in der Frage, was für ein Hund es sein soll, nach und nach herangetastet haben; die Familienfreundlichkeit spielte eine große Rolle und dass der Garten nicht sehr groß ist. Und es sollte unbedingt eine Hündin sein; als dann aber bei der Züchterin die ausgewählte Hündin sich nur mit einer anderen zickte und aus einer Ecke Udo hervorgetappt kam, die Züchterin ihn auf Andreas’ Schoß legte und er sofort entspannt einschlief, war auch dieses Vorhaben Geschichte – der Hund hatte sich ausgesucht, zu wem er wollte und die Entscheidung wurde respektiert und nie bereut. Auch wenn – wie Andreas freimütig eingestand – die ersten ein bis anderthalb Jahre bis zur Akzeptanz der Sauberkeits- und anderer erwünschter Regeln nicht immer leicht waren. Eine Besonderheit dieser Rasse ist übrigens, dass er kein Unterfell hat, sondern Haare, wie Menschen. Die halten sie – anders als üblich – durch regelmäßige Friseurbesuche recht kurz.
Bei einer Kaffee- und Kuchen-Pause auf dem Weg zum Kap Arkona – ein sehr nettes kleines Draußen-Café mit Blick aufs Wasser von allen Tischen – sprachen mich Susanne und Andreas aus Erfurt an, die gerade aufbrechen wollten, als ich kam. Sie waren auf Usedom, in Zingst auf dem Darß und hier auf Rügen und wundern sich, wie unterschiedlich die Landschaften hier sind, die sie sich mit dem Fahrrad erschließen.
Ich erfuhr, dass Beate und Bernd aus Oldenburg ebenfalls Rügen mit dem Rad umkreisten – nur in der anderen Richtung. Wir verabredeten, uns auf dem Campingplatz von Schaprode zu treffen. Als ich nur ein paar Kilometer entfernt war, bog der Weg, der immer am Wasser entlang ging, Richtung Landesinnere ab; nur ein begraster Fahrweg führte weiter. An seinem Anfang sonnte sich ein Paar auf einer Decke und ich fragte sie, ob der Weg befahrbar sei – als ich bemerkte, dass es die beiden waren! …
… Wir genossen dann zu dritt den sonnigen Tag und hatten uns viel zu erzählen, weil wir uns lange nicht gesehen hatten. Dann teilten wir unsere bisherigen Rügen-Eindrücke aus und planten, wie wir die gemeinsame Zeit verbringen wollten.
Wir aßen in dem fantastischen Restaurant Schilling (www.https://www.schillings-gasthof.de/) im Hafen von Schaprode zu Abend – wohl das beste Essen auf meiner Tour und eines der anregendsten Gespräche; neben persönlichen Themen – Leben als Rentner (Bernd und ich, beide Ex-Lehrer), Umgang mit Corona u.v.m. – sehr viel über die Qualitäten des Urlaubs mit dem Rad oder auch des Radreisens. Das haben wir dann am nächsten Tag gemeinsam umgesetzt auf einer Tour über die Insel Hiddensee. …
… Unsere erste Station auf der Insel war der kleine Leuchtturm, den Bernd schon beim Segeln mal von der Wasserseite aus gesehen hatte. Es windete wunderbar heftig und der Weg dahin ging durch schweren Modder – hier zeigte sich die Stärke der dickeren Reifen der beiden und die einzige Schwäche meines Rades: Da ein Randonneur wie meines eigentlich schmale Reifen hat, ich aber dickere haben wollte, um auch offroad unterwegs sein zu können, ist der Abstand zum Schutzblech extrem schmal und setzt sich bei Schlamm sofort dicht. Trotzdem bin ich noch soweit südlich wie möglich die schmalen Pfade gefahren, während die beiden im Cafè „Rosi“ auf mich warteten. Wir fuhren dann noch zusammen bis Kloster, da übernachteten die beiden, während ich alleine nach einer Umrundung des Nordteils der Insel von Vitte zurück nach Schaprode schipperte.
Hier setzt auch jemand auf Langsamkeit: Rudi und Waltraud kommen aus Bad Doberan bei Rostock und wollen die Insel Rügen umrunden in ihrem liebevoll hergerichteten Hänger samt Trecker „Fiete“.
Der Bonsai-Pitbull ist übrigens ein Dackel!
Hier sind alle drei – sie haben es sich unter ihrem kleinen Zelt-Vorbau gemütlich gemacht. Sie brauchten 13 Stunden mit ihrem Trecker-Gespann von Bad Doberan bei Rostock bis nach Rügen – eine Zeit, in der andere, wie Rudi sagt, mit dem Auto bis nach Italien fahren.
Ich empfahl ihm das Buch „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny; er wusste zu berichten, dass der Tennis-Profi Michael Stich etwas mit Langsamkeit zu tun habe. Ich habe versucht, das zu recherchieren und habe interessanterweise dieses Interview gefunden, in dem er Nadolny als Lieblingsschriftsteller bezeichnet und sich auch auf ihn bezieht: „Nadolny sagt, es gibt für alles im Leben drei Momente: einen verfrühten, einen richtigen und einen zu späten. Das hat für mich unbedingt Sinn. Allerdings weiß man so etwas meist erst, wenn man ein bisschen Lebenserfahrung gesammelt hat“ (www.welt.de).
Vor einem Supermarkt packte ich gerade die Einkäufe ein, als Norbert aus Wiernsheim bei Pforzheim mich ansprach. Was das Urlaubsziel betraf, ging es ihm ähnlich wie mir: Sie wollten eigentlich nach Schweden, wo sie seit Jahren auf Torsö – einer Insel im Vänernsee – Urlaub machen. Dieses Jahr fuhren er, seine Frau Sonja und ein Freund mit einem gemieteten Camping-Anhänger nach Rügen und dann ev. noch Bornholm – sie scheinen Inseln zu bevorzugen.
Mike aus Berlin traf ich vor dem Damm, der nach Ummanz führt, eine kleine, Rügen westlich vorgelagerte Insel. Ich schaute gerade den Pylon an, als er stoppte und mich danach scherzhaft fragte (leider weiß ich nicht mehr, wie – bezog er sich auf Asterix und Obelix?). Ich konnte ihn dank gelesener Inschrift aufklären, dass die Straßenbrücke aus 68 dieser Pfähle steht. Viel spannender war es, von ihm zu hören, dass er überwiegend „wild“ übernachtet – im Zelt, aber auch schon mal in einem Bushaltestellen-Häuschen. Und dass er alle Radwege kennt, die von Berlin abgehen und auch schon an Nord- und Ostsee gefahren ist.
Ines habe ich schon mehrfach bei meiner Inselumrundung gesehen, meistens auf Campingplätzen – kein Wunder, wie sich herausstellte, weil sie und Janos Rügen in ähnlichem Tempo umrunden. Dieses Mal haben wir uns, als ich in Altefähr ankam, nicht nur im Vorbeifahren gegrüßt, sondern auch ein wenig zusammengesessen. Sie kommen aus Ilmenau. Wir waren uns nicht sicher, ob wir und vier- oder gar fünfmal begegnet sind – lustig war es jedenfalls. Sie fahren noch zur Fähre Glewitz – Stahlbrode, mit der ich auch auf die Insel gekommen bin, weil ihr Auto dort steht. Ich dagegen werde nach dieser Nacht direkt Stralsund ansteuern.
Das sind (von links) Hanneke, Roel, Marcel und Lisbeth; zwei Schwestern aus Holland mit ihren Männern auf dem Campingplatz von Zingst. Sie hatten – wie ich – mit Mücken zu kämpfen, deshalb die Kapuzen. Marcel hatte vorher schon interessiert mein Koga-Miyata inspiziert, was ja eine niederländische Fahrradmarke ist (der japanische Teil des Namens kommt von dem Rahmenbauer Miyata Kōgyō; seit 2010, als die Zusammenarbeit beendet wurde, heißen die Räder nur noch KOGA). Sie sind begeistert von der Gegend und wollten noch weiter nach Rügen. Ein längeres Gespräch war nicht möglich – ihr wisst schon, die Mücken! –, aber es war eine sehr herzliche Begegnung.
Nicola und Tyler sind aus Berlin, er ist allerdings ursprünglich Amerikaner – die Geschichte, warum er hierher kam, war ihm zu lang zu erzählen. Nicola hat ihn unterwegs gerettet, als er eine Schraube verloren hat, die den Gepäckträger hielt – denn sie hatte noch kurz vor der Abfahrt die wirklich unverzichtbaren Kabelbinder besorgt, die jetzt halfen!
Mir halfen die beiden, ein Bild über Russland zu gewinnen, denn sie waren schon oft da (wenn ich es richtig mitbekommen habe, lebt ihr Vater in Moskau) und meinten, Petersburg müsse man gesehen haben. Und man solle, wenn es geht, ein paar Brocken der Sprache lernen (sie hat sie studiert!), um besser durch- und in den Genuss der russischen Freundlichkeit und Gastfreundschaft zu kommen. Aber auf keinen Fall, so wie es viele Ostsee-Umradler tun, die die Fähre zwischen Helsinki und Tallinn nehmen – dieses Land auf der Reise auslassen!
Auf der Suche nach funktionierendem Internet habe ich mich auf mehreren Campingplätzen in der Nähe des Routers, sprich, der Anmeldung herumgetrieben. Das war auf dem Campingplatz Dierhagen nicht anders – und ich war damit nicht allein. So kam es zu einem sympathisch frech-forschen Plausch mit diesem Pärchen – seit 19 Jahren zusammen, davon 16 verheiratet: Beate und Marion aus Kiel. Mehr weiß ich leider nicht mehr – außer, dass wir uns alle sehr amüsiert und viel gelacht haben. Sehr süß, wie die beiden miteinander umgehen, oder?
Ich war am Dierhagener Strand dabei, die großformatigen Nachbildungen von Meeresbewohnern wie dieser Miesmuschel zu fotografieren, vor der hier Elisabeth und Andreas posieren. Das kam so, dass Andreas sein Fahrrad dagegengelehnt hatte und ich ihn bat, das wegzunehmen – woraufhin er mich fragte, ob er mich davor fotografieren solle – sie kaufte derweil was am Kiosk ein. Das fand ich sehr nett, mit dieser kleinen implizierten Kritik – jedenfalls hätte man es so verstehen können – so positiv umzugehen!
So kam es zu diesem Foto.
Später, als ich an einem schönen Platz mit Meerblick frühstückte – ich fahre meistens erst ein Stück und kann dann das erste Mahl mit der Aussicht zusammen viel mehr genießen –, winkte mir eine Frau zu; das war wieder Elisabeth, wie ich dann erkannte, die lange am Strand gebückt lief und nach Schätzen Ausschau hielt.
Meine letzte Begegnung dieser Etappe hatte ich am Strand von Markgrafenheide – dem Rostock am nächsten gelegenenen Campingplatz (und, nebenbei bemerkt, der weitaus teuerste meiner ganzen Tour!). Während ich der sinkenden Sonne zusah, machte er Fotos und strahlte vor Begeisterung. …
… Robbys neues iPhone fing die Farben viel besser ein als meins, deshalb machte er noch Selfies von uns. Danach verabredeten wir uns zum Pizza-Essen auf dem Campingplatz und unterhielten uns den ganzen Abend sehr angeregt. Auch wenn wir in Bezug auf Corona nicht einer Meinung waren, war es ein sehr angenehmer Kontakt; wir schickten und später per Mail unsere Fotos und sind auf Instagram verbunden.
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